Übersicht
Berndeutsch
Baseldeutsch
Wortschatz
Der Fokus dieses Blogs liegt auf Zürichdeutsch (ZHDt). Zum Beispiel wird im Wortschatz-Teil, wenn nicht anders angegeben, immer nur die ZHDt-Variante angegeben. Nichtsdestotrotz möchte ich an dieser Stelle eine kurze Übersicht über die Unterschiede zu den Dialekten anderer Regionen der Schweiz aufführen.
Im Grunde genommen handelt es sich immer noch um dieselbe Sprache, auch wenn Sprecher der unterschiedlichen Regionen manchmal spielerisch die Sprache der eigenen Region als besonders einzigartig preisen. Grammatisch gibt es zum Beispiel nur minimale Unterschiede. Auch der Grundwortschatz ist immer derselbe. Allerdings gibt es systematische Lautabweichungen zwischen den Varietäten, die dazu führen, dass sich sehr viele Worte in der Schrift unterscheiden; das kann den Eindruck erwecken, dass die Varietäten unterschiedlicher seien, als sie in Wirklichkeit sind.
Zudem gibt es auch ein einzigartiges Wortschatzreichtum, das seinen Grund vor allem darin hat, dass die Geographie der Schweiz bis vor relativ kurzer Zeit die weitgehende Isolation von verschiedenen Regionen begünstigt hat, weswegen sehr alte Formen überlebt haben. Ausserdem sind alle anderen Sprachen der Schweiz romanisch. Durch ihren Einfluss sind die schweizerdeutschen Dialekte besonders reich an Vokabular, das Deutschsprechern, die keine romanische Sprache können, eher fremd vorkommt.
Übersicht
Im Prinzip beansprucht jeder Kanton mindestens eine «eigene» Version des Schweizerdeutschen für sich, aber die alle einzeln zu analysieren ist an dieser Stelle nicht möglich. Statt dessen möchte ich grob zwischen den folgenden «grossen» Sprachregionen unterscheiden:
Zürich—Dies ist bei weitem die grösste Sprachregion. Auch die Zentralschweiz kann man grob dazu zählen, auch wenn ich mir dabei den Hass z.B. der Lozärner, Zuger und Urner sichere. Allerdings ist es so, dass sich die Sprache graduell mehr und mehr von D-StdDt entfernt, je weiter man nach Süden geht.
Bern—Auch innerhalb dieser Region gibt es viele Unterschiede, ja sogar innerhalb der Stadt Bern, aber man erkennt Berner im Grossen und Ganzen leicht an ihre Tendenz, langsamer zu sprechen, so wie an der Vokalisierung des /l/-Lautes, was ihrer Aussprache eine runde, süsse Weichheit verleiht.
Basel—Die traditionelle Sprache der Stadt Basel gehört eigentlich zur niederalemannischen Dialektgruppe, während im Rest der Schweiz Hoch- oder Höchstalemannisch gesprochen wird1____Mehr zu diesen Begriffen gibt es hier: https://swissgerman.czutro.ch/?p=306 .. Die Sprache von älteren Stadtbaslern steht den Dialekten des Elsass und Südbadens (Deutschland) näher als den Dialekten der Schweiz. Allerdings gleicht sich die Sprache in den jüngeren Generationen langsam dem Hochalemannischen an.
Im Prinzip könnte auch die Sprache Schaffhausens zu dieser Kategorie zählen. Auch hier ist die Nähe zu Deutschland deutlich «herauszuhören», vor allem wegen dem «französichen R» und wegen der Sprachmelodie, die manchmal stark an den südlichen Schwarzwald erinnert.
Ostschweiz—Die Dialekte der Ostschweiz (Thurgau, St. Gallen und Appenzell) unterscheiden sich stark voneinander aufgrund der Geographie. Im Thurgau ist die Nähe zum Bodenseealemannischen und zum Schwäbischen deutlich zu hören, in Sargans dafür die Nähe zu Graubünden und Österreich. Und in den engen Tälern der Appenzeller Berge überleben Hunderte von Begriffen, die sonst nirgendwo zu hören sind.
Aus deutscher Sicht ist die Sprache der Ostschweiz dezidiert schweizerisch, aber Schweizer Ohren hören die Nähe zu Deutschland ganz leicht. Ich habe persönlich Zürcher getroffen, die scherzhaft behauptet haben, St.-Gallen-Deutsch sei «im Prinzip schon Hochdeutsch».
Wallis—Walliserdeutsch gehört zum Höchstalemannischen, und damit unterscheidet es sich klanglich am Stärksten von der standarddeutschen Sprache. Der Wallis ist von der übrigen Schweiz geographisch stark isoliert, so dass die Deklinations- und Konjugationsvielfalt des Althochdeutschen überlebt hat, und auch der Genitiv ist bei konservativen Sprechern noch lebendig. Ausserdem ist hier der Einfluss der altfranzösischen Sprachen auf den Wortschatz am Stärksten.
Graubünden—Wie im Wallis haben auch hier, bedingt durch die Geographie, in verschiedenen Dialekten sehr alte Sprachmerkmale überlebt. Ausserdem gibt es noch die spezielle Varietät, die sich ergibt wenn Rumantsch-Muttersprachler CHDt sprechen.
¹ | Mehr zu diesen Begriffen gibt es hier. |
Berndeutsch
Beispiele | |||
---|---|---|---|
BEDt2Berndeutsch | ZHDt | StdDt | |
Aussprache | |||
Vokalisierung von l im Silbenauslaut. Es wird wie ein polnisches ł oder ein englisches w ausgesprochen. Es wird mit u geschrieben, aber der Buchstabe behält seinen Charachter als Konsonant: d.h., der [u]-Laut bildet keinen Diphthong mit dem vorangehenden Vokal! | verzeue [fɛrˈtsɛːuə], nicht [fɛrˈtsɔʏ̯ə]! | verzähle | erzählen |
d Chiuche | d Chile | die Kirche | |
aui | alli | alle | |
viu | vill | viel | |
Velarisierung3Verdunklung eines Lauts durch die Annäherung der Zunge an den hinteren Teil des Gaumens (Velum) [1]. von nd. Es wird in der Schrift mit ng angegeben, und [ŋ] ausgesprochen (wie das ng in Finger). | de Hung | de Hund | der Hund |
d Stung | d Stund | die Stunde | |
aa ⟶ ai | gait | gaat | geht |
au ⟶ ou | s Outo | s Auto | das Auto |
manchmal Verkürzung von historisch langen Vokalen (Diphthonge auf StdDt) | wit | wiit | weit |
schribe | schriibe | schreiben | |
suge | suuge | saugen | |
Ei wird eher als [eɪ] ausgesprochen statt als [aɪ]. | [fleɪʃ] | [flaɪʃ] | Fleisch |
Grammatik | |||
Transposition von Hilfs- und Hauptverb in Nebensätzen | I ha si la gaa. | Ich ha si gaa laa. | Ich habe sie gehen lassen. |
Wiu i chrank bin gsi. | Wil ich chrank gsi bin. | Weil ich krank war. | |
Pluralendung -e auch bei einsilbigen starken Maskulina (auf ZHDt Nullendung) | zwe Wäge | zwee Wäg | zwei Wege |
zwe Tische | zwee Tisch | zwei Tische | |
zwe Steine | zwee Stäi | zwei Steine | |
keinen einheitlichen Plural bei der Verbkonjugation | mir hei | mir händ | wir haben |
diir heit | ir händ | ihr habt | |
si hei | si händ | sie haben | |
Zahlwörter zwei und drei mit Genus-Sensitivität | zwe Manne | zwee Manne | zwei Männer |
zwo Froue | zwee Fraue | zwei Frauen | |
zwöi Ching | zwee Chind | zwei Kinder | |
drei Manne | drü Manne | drei Männer | |
drei Froue | drü Fraue | drei Frauen | |
drü Ching | drü Chind | drei Kinder | |
Höflichkeitsform mit der 2. statt der 3. Person Plural | Diir / Euch | Si / Ine | Sie / Ihnen |
Rechtschreibung | |||
Der lange i-Laut [iː] wird bevorzugt mit y statt ii geschrieben4Die meisten Mundartromane, die verfügbar sind, sind auf Berndeutsch.. | |||
Typisch Berner Wortschatz | |||
Grüessech (kommt von «Gott grüsse Euch») | Grüezi (kommt von «Gott grüsse Sie») | ||
geng | jeweils, immer | ||
liire, prichte | plaudern | ||
näär | nachher | ||
sider | seither | ||
u dä! | na und? | ||
de Giel [gɪu] | der Junge, der junge Mann | ||
s Müntschi | der Kuss | ||
Säg ejnisch! [ˈeɪnɪʃ] | Sag mal! |
² | Berndeutsch |
³ | Verdunklung eines Lauts durch die Annäherung der Zunge an den hinteren Teil des Gaumens (Velum) [1]. |
⁴ | Die meisten Mundartromane, die verfügbar sind, sind auf Berndeutsch. |
Baseldeutsch
Beispiele | |||
---|---|---|---|
BADt5Baseldeutsch | ZHDt | StdDt | |
Aussprache | |||
Tendenz zum «französischen R» [ʁ] | drisig [ˈdʁisɪg] | driisg [ˈdriːsg] | dreissig |
/k/, das auf ZHDt als [x] (ch) realisiert wird, wird weniger rauh ausgesprochen, mit Tendenz zum standarddeutschen /k/, stärker behaucht. | s Kind [kʰind] / [kind] | s Chind [xind] | das Kind |
/k/, /p/, /t/ manchmal stimmhaft ausgesprochen | d Daig | d Teig | der Teig |
glai | chlii | klein | |
manchmal Verkürzung von historisch langen Vokalen (Diphthonge auf StdDt) | d Lit | d Lüüt | die Leute |
ditsch | tüütsch / düütsch | deutsch | |
bisse | biise | beissen | |
Entrundung vom mittelhochdeutschen [y] und [ø] | grien | grüen | grün |
scheen | schön | schön | |
bleed | blöd | blöd | |
langes ü [yː] ⟶ ie [iə] | s Gmiet | s Gmüet | das Gemüt |
kurzes ü [y] ⟶ ii [iː] | d Fliigel | d Flügel | der Flügel |
aa ⟶ oo | d Oobe | d Aabig | der Abend |
-lich ⟶ -lig | meeglig | mögli | möglich |
Suffix der Zahlwörter 20, 30, … , 90 wie StdDt | drisig [ˈdʁisɪg] | driisg [ˈdriːsg] | dreissig |
fufzig [ˈfuftsɪg] | füfzg [fʏftsg] | fünfzig | |
Zahlwort für 1000 mit Diphthong | dausig [ˈdausɪg] | tuusig [ˈtuːsɪg] | tausend |
⁵ | Baseldeutsch |
Wortschatz
verzähle | erzählen |
d Chile | die Kirche |
d Stund | die Stunde |
wiit | weit |
suuge | saugen |
zwee | zwei |
drü | drei |
d Wäg | der Weg |
d Stäi | der Stein |
driisg | dreissig |
füfzg | fünfzig |
tuusig | tausend |
Quellen
- Velarisierung
- «Handbuch des Deutschen in West- und Mitteleuropa: Sprachminderheiten und Mehrsprachigkeitskonstellationen», von R. Beyer und A. Plewnia, Narr Francke Attempto Verlag, ISBN 978-3823301745.